Terrasse auf Abstandsflaeche

Frage: wir haben in Bayern eine Eigentumswohnung gekauft mit Balkon und Dachterrasse 1.OG. Die Dachterrasse befindet sich auf der zum Mehrfamilienhaus eigenen Tiefgaragenzufahrt (40m2) mit Lage direkt an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn (auf 6m Länge) in 3m Höhe. Die Terrasse ist vollständig mit einem Geländer umrandet und gepflastert. Wie dürfen wir den Bereich/Abstandsbereich zum Nachbarn auf der Terrasse (lt. Baugenehmigung 3m Abstand erf.) zur Grundstücksgrenze eigentlich nutzen.
- Darf man Stühle/Tisch aufstellen.
- Darf man Pflanzentröge aufstellen.
- Darf man einen Sonnenschirm aufstellen.
oder verletzt man damit die Abstandsfläche zum Nachbarn? Wo ist sowas geregelt (Gesetz?)
Lt. Teilungserklärung ist für uns das Sondernutzungsrecht für die Terrasse eingetragen.
Vielen Dank für die Info

 

Antwort: Die Abstandsflächen, die auf dem Lageplan eingezeichnet sind, haben mit Ihrer Terrasse nichts zu tun.

 

Sie beziehen sich auf das Gebäude an sich. Garagen und Tiefgaragenzufahrten sind auch innerhalb dieser Abstandsflächen zulässig, soweit der Bebauungsplan dies nicht anders regelt.

 

Sie können Ihre Terrasse ganz normal nutzen. Dies ist baurechtlich nicht von Belang.

 

Was hier aber eine Rolle spielt, ist das Nachbarrecht. Dies wird in Bayern durch das Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze (AGBGB) geregelt.

 

Dort steht unter

 

Art. 43 Fensterrecht

 

(1) 1 Sind Fenster weniger als 0,60m von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, dass bis zur Höhe von 1,80m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das Durchblicken möglich ist.

2 Die Entfernung wird von dem Fuß der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen.

 

(2) Den Fenstern stehen Lichtöffnungen jeder Art gleich.

 

Art. 44 Balkone und ähnliche Anlagen

 

1 Balkone, Erker, Galerien und ähnliche Anlagen, die weniger als 0,60m von der Grenze eines Nachbargrundstücks abstehen, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, müssen auf der dem Nachbargrundstück zugekehrten Seite auf Verlangen des Nachbarn mit einem der Vorschrift des Art. 43 entsprechenden Abschluss versehen werden.

2 Der Abstand wird bei vorspringenden Anlagen von dem zunächst an der Grenze befindlichen Vorsprung ab, bei anderen Anlagen nach Art.43 Abs.1 Satz2 gemessen.

 

Art. 45 Besondere Vorschriften für Fenster, Balkone und ähnliche Anlagen

 

(1) 1 Art.43 und 44 gelten auch zugunsten von Grundstücken, die einer

öffentlichen Eisenbahnanlage dienen.

2 Die Fenster und andere Lichtöffnungen sowie der Abschluss der in Art.44 bezeichneten Anlagen dürfen jedoch so eingerichtet werden, dass sie das Durchblicken gestatten.

 

(2) Für die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden, begonnenen oder baurechtlich genehmigten Anlagen der in Art.43 und 44 bezeichneten Art sind die vor diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften weiterhin anzuwenden, soweit sie eine geringere Beschränkung festgelegt haben als die Art.43 und 44 sowie Absatz 1.

 

Das heißt, dass Ihr Nachbar verlangen kann, dass Sie einen Sichtschutz in einer Höhe von 1,80m zu seinem Grundstück hin anbringen. Andere Einschränkungen bestehen nicht.

 

Das AGBGB und mehr finden Sie unter Downloads.

Frage: wir haben in unserer Teilungserklärung nachgelesen, dass wir den 3 m Bereich bis zum Nachbarn auf der  Dachterrasse nicht nutzen dürfen im Sinne der Nutzung eines Balkons !? Was soll das dann nun heißen?

Heißt das wir haben doch noch weitere Bauauflagen? Sonst würde der Amtmann dies ja nicht reinschreiben.

 

Antwort: Wenn die Terrasse als Balkon betrachtet wird, dann stellt sich die Situation so dar: Balkone werden in Bayern nur unter gewissen Voraussetzungen nicht auf die Abstandsflächen angerechnet. Siehe BayBO

 

Art. 6 Abstandsflächen, Abstände

 

(8) Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben außer Betracht

 

1. vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände,

 

2. Vorbauten wie Balkone und eingeschossige Erker, wenn sie

 

a) insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand, höchstens jedoch 5m, in Anspruch nehmen,

b) nicht mehr als 1,50m vor diese Außenwand

vortreten und

c) mindestens 2m von der gegenüberliegenden

Nachbargrenze entfernt bleiben.

 

Dies wäre bei Ihnen nicht der Fall, Sie müssten somit die Abstandsflächen einhalten.

 

Da die überdachte Tiefgarageneinfahrt bei Ihnen aber ohnehin schon da ist, ist es meiner Meinung nach eine unsinnige Paragrafenreiterei, Ihnen deren Nutzung zu untersagen. Insbesondere, da es bei den Abstandsflächen nach BayBO ja um die Sicherheit und nicht um das Nachbarrecht geht.

 

Sie könnten nun bei Ihrem Baurechtsamt nachfragen, ob Sie nicht doch die ganze Terrasse nutzen dürfen. Oder Sie machen es einfach. Wo kein Kläger, da kein Richter.

02. Aug 2008   | Email | Nach oben
Kategorie:  | 

 

Home | Kontakt | RSS | Disclaimer | Impressum
© Frag den Architekt 2010