Balkon auf Grenze

Frage: Wir wohnen in einer Doppelhaushälfte in Baden-Württemberg. Nun ist der Bauplatz für die zweite Hälfte auch verkauft worden und der Bauherr hat uns seine Pläne vorgestellt. Was uns stört, ist dass er den Balkon direkt auf unsere Grenzlinie setzt. Das Haus wurde vorne bis auf die Baulinie gebaut. Um eine sinnvolle Balkongröße zu bekommen wurde der Balkon um 1,90m nach innen gezogen. Der vorgesetzte Balkonteil überschreitet die Baulinie komplett und zwar mit einer Tiefe von 1,75m und einer Breite von 3,47m.
Um in den überdachten Balkonteil genügend Licht zu bekommen, ist auch noch ein Lichtausschnitt direkt auf der Grenzlinie zu uns eingeplant.

Ist ein Balkon auf der Grenzlinie so wirklich erlaubt oder muss auch bei Doppelhaushälften ein Mindestabstand eingehalten werden (vor allem außerhalb des Baufensters)?
Ist ein solcher Lichtausschnitt mit Blick direkt auf unseren Balkon bzw. Garten erlaubt?

Wir haben zwar die Landesbauordnung durchgelesen, als Laien sind wir aber leider überfordert.

 

Antwort: Zum Thema Abstandsflächen steht in der Landesbauordnung (LBO) Baden-Württemberg unter

 

§ 5 Abstandsflächen

 

(1) Vor den Außenwänden von Gebäuden müssen Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Eine Abstandsfläche ist nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften

 

1. das Gebäude an die Grenze gebaut werden muss, es sei denn, die vorhandene Bebauung erfordert eine Abstandsfläche, oder

 

2. das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.

Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist nicht erforderlich, wenn nach den Festsetzungen einer abweichenden Bauweise unabhängig von der Bebauung auf dem Nachbargrundstück an die Grenze gebaut werden darf.

 

Da Sie ein Doppelhaus besitzen, bei dem Grenzbebauung somit vorgeschrieben ist, sind hier also keine Abstandsflächen erforderlich.

 

Zum Thema Baulinie finden Sie in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) folgendes

 

§ 23 Überbaubare Grundstücksfläche

 

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Abs. 5 ist entsprechend anzuwenden.

 

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

 

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

 

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die

Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

 

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des §14 zugelassen werden. Das gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

 

Sie sehen in Punkt (2) dass, wenn eine Baulinie festgesetzt ist, auf dieser gebaut werden muss. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen, also etwa von Balkonen, in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Was ein geringfügiges Ausmaß ist, wird nicht genau definiert. Dies werden Sie in Ihrem Bebauungsplan finden.

 

Ein Balkon, der bis zur Grenze reicht, ist ja auch durchaus nicht unüblich, wenn Sie sich die meisten Doppel- oder Reihenhäuser anschauen.

 

Was die Lichtöffnung angeht, so müssen Sie ins Nachbarrechtsgesetz (NRG) schauen. Dort steht unter

 

§ 3 Abstand von Lichtöffnungen

 

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass vor Lichtöffnungen in der Außenwand eines Nachbargebäudes, die einen Ausblick auf sein Grundstück gewähren, auf dem Nachbargrundstück

Abstandsflächen eingehalten werden, die, rechtwinklig zur Außenwand und in Höhe der Lichtöffnung gemessen, eine Tiefe von mindestens 1,80m haben und in der Breite auf jeder Seite mindestens 0,60m über die Lichtöffnung hinausreichen.

 

(2) Das Verlangen nach Absatz 1 kann nicht gestellt werden für Lichtöffnungen, die verschlossen sind und nicht geöffnet werden können und entweder mit ihrer Unterkante mindestens 1,80m über dem Fußboden des zu erhellenden Raumes liegen oder undurchsichtig sind.

 

(3) Das Verlangen nach Absatz 1 kann nicht gestellt werden, wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind oder das

Vorhaben nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere nach den §§ 5 und 6 der Landesbauordnung, zulässig ist. Nach Ablauf von zwei Monaten seit Zugang der Benachrichtigung nach §55 der Landesbauordnung ist das Verlangen ausgeschlossen. Die Frist wird auch dadurch gewahrt, dass nach §55 der Landesbauordnung Einwendungen

oder Bedenken erhoben werden.

 

Sie sehen hier unter Punkt (3), dass Verlangen von Abstandsflächen nach Punkt (1) nicht gestellt werden kann, wenn, wie oben beschrieben, nach §5 LBO Grenzbebauung möglich oder vorgeschrieben ist.

 

Das gleiche trifft auf „ausblickgewährende Anlagen“ wie Balkone zu. Siehe

 

§ 4 Abstand von ausblickgewährenden Anlagen

 

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass vor Balkonen, Terrassen, Erkern, Galerien und sonstigen begehbaren Teilen eines Nachbarhauses, die einen Ausblick auf sein Grundstück gewähren, auf dem Nachbargrundstück Abstandsflächen eingehalten werden, die in der Tiefe mindestens 1,80m über die Vorderkante und in der Breite auf jeder Seite mindestens 0,60m über die Seitenkante der genannten Gebäudeteile hinausreichen.

 

(2) § 3 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

 

Ich denke daher, Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, zu überprüfen, ob das Vorhaben Ihres Nachbarn mit den Vorschriften des Bebauungsplans übereinstimmt. Falls ja, müssen Sie das Ganze wohl so akzeptieren.

 

LBO, BauNVO und NRG finden Sie unter Downloads.

Frage: Vielen Dank für die schnelle Antwort!

 

Im Bebauungsplan steht leider nichts zur Grenzbebauung (§5 LBO), es wird lediglich vermerkt, dass es sich um eine offene Bauweise nach §22(1) BauNVO handelt und es wird erwähnt dass die Baugrenze §9 (3) BauGB nur für oberirdische Anlagen gilt. §23 (3) BauNVO.

Würde aber dann nicht eher die geschlossene Bauweise der Grenzbauweise entsprechen, weil dort ja auch kein Grenzabstand einzuhalten ist oder ist das wieder was komplett anderes?

 

Folgendes habe ich in der LBO im §5 gefunden:

 

(6) Bei der Bemessung der Abstandsfläche bleiben außer Betracht

 

1. untergeordnete Bauteile wie Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen, wenn sie nicht mehr als 1,5 m vor die Außenwand vortreten

2. Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind und nicht mehr als 1,5 m, bei Wänden und Dächern aus lichtdurchlässigen Baustoffen (Wintergärten) nicht mehr als 2 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben.

 

Demnach bleibt ein Balkon dann doch nur dann außer Betracht, wenn ein Abstand von 2m eingehalten und der Balkon zusätzlich nur 1,5m tief ist oder stimmt das so nicht?
Wie soll da nur ein L
aie durchblicken?

 

Antwort: Wenn für Ihr Gebiet eine offene Bauweise, also mit Grenzabstand, vorgeschrieben ist, so gilt das für das Gebiet im allgemeinen. Wenn aber für Ihr Grundstück und das Ihres Nachbarn eine Bebauung mit einem Doppelhaus vorgeschrieben ist, müssen Sie und Ihr Nachbar auf die Grenze bauen. Hier kann es keine Abstandsflächen geben, da ein Doppelhaus nun mal aus zwei aneinander gebauten Häusern besteht.

 

Wenn es aber keine einzuhaltenden Abstandsflächen gibt, spielt auch Punkt (6) in diesem Fall keine Rolle.

 

Ich denke, Sie können, wie schon in meiner ersten Antwort erwähnt, weder gegen den Balkon an sich noch gegen die Lichtöffnung etwas machen. Das einzige wäre vielleicht, beim Baurechtsamt anzufragen, ob die Tiefe des Teils des Balkons, der über die Baulinie ragt, das geringfügige Ausmaß nach §23 BauNVO überschreitet.

 

Falls Ihr Nachbar aber schon eine Baugenehmigung hat, erübrigt sich dies ebenfalls. Wäre der Balkon zu tief, hätte er so keine erhalten.

 

Es würde sich wohl auch nicht lohnen, es sich mit dem neuen Nachbarn gleich zu verscherzen, nur um zu erreichen, dass der Balkon ein paar cm weniger tief wird.

 

Tut mir leid, aber ich glaube, Sie sollten sich damit abfinden. Sie können nichts dagegen machen.

 

Und nochmal: bitte vergessen Sie nicht den Wert einer guten Nachbarschaft. Setzen Sie diese nicht schon im Vorfeld aufs Spiel. Damit tun Sie sich nichts Gutes. Der Verdruss, den Ihnen ein vergiftetes Verhältnis zu Ihrem Nachbarn bereiten würde, wäre weitaus schlimmer als der durch seinen Balkon.

14. May 2008   | Email | Nach oben
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