Treppen ohne Gelaender

Frage: Wir bauen gerade ein altes Wohnhaus in Baden-Württemberg um und teilen es komplett neu auf. Es entstehen mehrere einzelne Maisonette-Wohnungen. Jetzt möchte ich die Innentreppen in den Maisonette-Wohnungen gerne sehr schlicht halten und am liebsten nur von der Wand auskragen lassen. Ist es zulässig, gar keinen Handlauf oder nur einen an der Wand und zum Raum hin gar kein Geländer und Handlauf anzubringen?

 

Antwort: Die von Ihnen angedachte Lösung kann sehr schön sein. Sie birgt allerdings auch eine größere Unfallgefahr in sich.

 

Vorschriften für Treppen sind in der DIN 18065 festgelegt. Diese kann ich Ihnen leider aus Gründen des Urheberrechts nicht als Download anbieten. Die Länder haben die Vorschriften nach DIN 18065 weitgehend  in ihr jeweiliges Landesbaurecht übernommen. Bei Wohngebäuden geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten und (mehrgeschossigen) Wohnungen werden jedoch je nach Land Ausnahmen gemacht, da der Gesetzgeber den privaten Freiraum hier nicht übermäßig einschränken will und auf die Eigenverantwortlichkeit setzt.

 

Für Baden-Württemberg finden Sie dazu in der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBOAVO) folgendes:

 

§ 4 Umwehrungen (zu § 16 Abs. 1 LBO)

 

(1) Zum Schutz gegen Abstürzen müssen umwehrt sein

1. zum Begehen bestimmte Flächen baulicher Anlagen und Verkehrsflächen auf dem Baugrundstück, wenn sie an mehr als 1m tieferliegenden Flächen angrenzen; dies gilt nicht, wenn die Umwehrung dem Zweck der Flächen widerspricht, wie bei Verladerampen und Schwimmbecken,

2. nicht begehbare Oberlichter und lichtdurchlässige Abdeckungen an oder in zum Begehen bestimmten Flächen baulicher Anlagen, wenn sie weniger als 0,5m aus diesen Flächen herausragen,

3. Lichtschächte und Betriebsschächte an oder in Verkehrsflächen auf dem Baugrundstück, die nicht verkehrssicher abgedeckt sind; dies gilt auch für Schächte, die unmittelbar an öffentlichen Verkehrsflächen liegen.

 

(2) Umwehrungen wie Geländer, Brüstungen und andere Umwehrungen nach Absatz 1 müssen mindestens 0,9m hoch sein. Die Höhe der Umwehrungen darf auf 0,8m verringert werden, wenn die Tiefe der Umwehrung mindestens 0,2m beträgt. Bei Fensterbrüstungen wird die Höhe von Oberkante Fußboden bis Unterkante Fensteröffnung gemessen.

 

(3) Der Abstand zwischen den Umwehrungen nach Absatz 1 und den zu sichernden Flächen darf waagerecht gemessen nicht mehr als 6cm betragen.

 

(4) Öffnungen in Umwehrungen nach Absatz 1 dürfen bei Flächen, auf denen in der Regel mit der Anwesenheit von Kindern bis zu sechs Jahren gerechnet werden muss,

1. bei einer Breite von mehr als 12cm bis zu einer Höhe der Umwehrung von 0,6m nicht höher als 2cm, darüber nicht mehr als 12 cm sein,

2. bei einer Höhe von mehr als 12cm nicht breiter als 12cm sein.

Der Abstand dieser Umwehrungen von der zu sichernden Fläche darf senkrecht gemessen nicht mehr als 12cm betragen. Sätze 1 und 2 gelten nicht bei Wohngebäuden geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen und bei Wohnungen.

 

§ 10 Treppen (zu § 28 Abs. 1 und 2 LBO)

 

(1) Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes muss eine notwendige Treppe oder ein Ausgang ins Freie in höchstens 40 m Entfernung erreichbar sein.

 

(2) Die nutzbare Breite notwendiger Treppen muss mindestens 1m, bei Treppen in Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen mindestens 0,8m betragen. Dies gilt nicht für Treppen in mehrgeschossigen Wohnungen. Für Treppen mit geringer Benutzung können geringere Breiten zugelassen werden.

 

(3) Die tragenden Teile notwendiger Treppen sind herzustellen

1. bei Gebäuden geringer Höhe aus nichtbrennbaren Baustoffen oder aus Hartholz,

2. bei sonstigen Gebäuden aus nichtbrennbaren Baustoffen. Dies gilt nicht für Treppen in

1. mehrgeschossigen Wohnungen,

2. Wohngebäuden geringer Höhe mit bis zu zwei Wohnungen,

3. land- und forstwirtschaftlichen Betriebsgebäuden.

 

(4) Treppenstufen dürfen nicht unmittelbar hinter einer Tür beginnen, die in Richtung der Treppe aufschlägt. Zwischen Treppe und Tür ist in diesen Fällen ein Treppenabsatz anzuordnen, der mindestens so tief sein

muss, wie die Tür breit ist.

 

(5) Treppen müssen mindestens einen festen und griffsicheren Handlauf haben. Dies gilt nicht für Treppen

1. in mehrgeschossigen Wohnungen,

2. in Höhe des Geländes oder mit einer Absturzhöhe von nicht mehr als 1m,

3. mit nicht mehr als fünf Stufen oder

4. von Anlagen, die nicht umwehrt werden müssen.

 

Sie sehen am Ende von §4, dass die allgemeine Vorschrift, dass Abstände zwischen Geländerstäben oder Stufen nicht mehr als 12cm betragen dürfen, in Baden-Württemberg für Wohngebäude geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten und bei Wohnungen nicht gilt. In §10(5)1. steht, dass in mehrgeschossigen Wohnungen Treppen keinen Handlauf haben müssen.

 

Somit steht Ihrem Vorhaben rein rechtlich nichts im Wege. Falls in den fraglichen Wohnungen aber kleine Kinder leben oder oft zu Besuch sein werden, würde ich Ihnen aus Gründen der Unfallsicherheit trotzdem zum Anbringen einer Absturzsicherung raten. Diese muss ja nicht unbedingt aus einem Treppengeländer oder Stellstufen bestehen. Eine Alternative könnte z.B. ein Netz aus Stahlseilen sein.

 

LBO, LBOAVO und mehr finden Sie unter Downloads.

Kommentar:  (siehe unten) Hallo zusammen,

ich bin mir nicht sicher, ob die Schlüsse, die aus den Paragraphen §4 und 10 der LBOAVO gezogen wurden, so haltbar sind.

Ich schreibe jetzt mal meine Interpretation, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren:

Laut §4 (1) benötigen alle begehbaren Fläche, wenn sie an eine mehr als 1 m tiefer gelegene Flächen angrenzen eine Umwehrung. Das gilt m. E. auch für Treppen und zwar ohne Ausnahme. Die Ausnahme am Ende von §4(4)gilt nur für die Größe der Öffnungen in Umwehrungen nicht für die Umwehrung an und für sich.

§10 (5) trifft lediglich Aussagen zum Handlauf und regelt die beschriebene Ausnahmen in mehrgeschossigen Wohnungen usw. Das befreit aber nicht von der Pflicht eine Umwehrung = Geländer zu bauen, ab der Stelle, an der die Treppe 1 m hoch ist.

Demnach wäre die Schlussfolgerung: Handlauf ist vorliegenden Fall nicht notwendige, aber eine Umwehrung(Geländer) allerdings ohne Vorschriften im Bezug auf die Öffnungen.

 

Antwort: Das ist vielleicht etwas ungenau formuliert in der LBOAVO. In §4(1) ist die Rede von baulichen Anlagen und Verkehrsflächen auf dem Baugrundstück, explizit wird verwiesen auf Ausnahmen etwa für Verladerampen und Schwimmbecken. Solche befinden sich normalerweise nicht innerhalb eines Gebäudes. Nun könnte man daraus schließen, diese Vorgaben bezögen sich nur auf Verkehrsflächen außerhalb des Gebäudes.

 

Aber natürlich befinden sich auch Treppen innerhalb des Gebäudes auf dem Baugrundstück. Somit ist Ihre Schlussfolgerung, auch diese benötigten eine Umwehrung ab 1m Absturzhöhe, grundsätzlich erst einmal richtig.

 

Allerdings steht in §4(4), dass die Begrenzung von Öffnungen in Umwehrungen für Wohngebäude geringer Höhe mit bis zu zwei Wohneinheiten und Wohnungen nicht gilt. Somit können Sie die Öffnungsgröße ins Unendliche treiben, sodass keine Umwehrung mehr vorhanden ist.

 

Wenn man das Ganze in der Theorie auf die Spitze treiben wollte, so könnte man verlangen, dass Sie am An- und am Austritt der Treppe einen dünnen Stab mit 90cm Höhe anbringen. Diese stellten dann die Umwehrung dar, der Raum dazwischen dann die unbegrenzt mögliche Öffnung.

 

Dies macht natürlich keinen Sinn. Ich bleibe daher bei der Aussage, dass Sie bei Treppen in Wohngebäuden geringer Höhe bis zu zwei Wohneinheiten und innerhalb von Wohnungen kein Geländer brauchen. Innerhalb von Wohnungen auch keinen Handlauf, da sind wir uns ja einig.

 

Das kann eine sehr schöne Lösung sein. Ob sie immer sinnvoll ist, darüber lässt sich streiten. In Gebäuden, in denen sich Kinder aufhalten ist sie es sicher nicht. Der Eigentümer muss sich auf jeden Fall des Risikos bewusst sein, im Schadensfall haftbar gemacht zu werden.

 

Dass so eine Lösung grundsätzlich möglich ist, sehen Sie auch an vielen veröffentlichten Beispielen solcher Treppen.

 

Nichtsdestotrotz bleibt aber die Tatsache, dass die Formulierung in der LBOAVO BW etwas schwammig ist und zu verschiedenen Interpretationen geradezu einlädt.

 

Besser ist dies gelöst in anderen LBOs, beispielsweise in der Nordrhein-Westfalens. Siehe:

 

§ 36 Treppen

 

(1) Jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss und der benutzbare Dachraum eines Gebäudes müssen über mindestens eine Treppe zugänglich sein (notwendige Treppe); weitere Treppen können gefordert werden, wenn die Rettung von Menschen im Brandfall nicht auf andere Weise möglich ist. Statt notwendiger Treppen können Rampen mit flacher Neigung gestattet werden.

 

(2) Einschiebbare Treppen und Rolltreppen sind als notwendige Treppen unzulässig. Einschiebbare Treppen und Leitern sind bei Gebäuden geringer Höhe als Zugang zu einem Dachraum ohne Aufenthaltsräume zulässig; sie können als Zugang zu sonstigen Räumen, die keine Aufenthaltsräume sind, gestattet werden, wenn wegen des Brandschutzes Bedenken nicht bestehen.

 

(3) Die tragenden Teile notwendiger Treppen sind in der Feuerwiderstandsklasse F 90 und aus nichtbrennbaren Baustoffen herzustellen. Bei Gebäuden geringer Höhe sind sie aus nichtbrennbaren Baustoffen herzustellen; dies gilt nicht für Wohngebäude geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen.

 

(4) In Gebäuden mit mehr als zwei Geschossen über der Geländeoberfläche sind die notwendigen Treppen in einem Zuge zu allen anderen angeschlossenen Geschossen zu führen; sie müssen mit den Treppen zum Dachraum unmittelbar verbunden sein.

 

(5) Die nutzbare Breite der Treppen und Treppenabsätze notwendiger Treppen muss mindestens 1m betragen; in Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen genügt eine Breite von 0,8m.

 

(6) Treppen müssen mindestens einen festen und griffsicheren Handlauf haben. Bei großer nutzbarer Breite der Treppen können Handläufe auf beiden Seiten und Zwischenhandläufe gefordert werden.

 

(7) Die freien Seiten der Treppen, Treppenabsätze und Treppenöffnungen müssen durch Geländer gesichert werden. Fenster, die unmittelbar an Treppen liegen und deren Brüstungen unter der notwendigen Geländerhöhe liegen, sind zu sichern.

 

(8) Auf Handläufe und Geländer kann, insbesondere bei Treppen bis zu fünf Stufen, verzichtet werden, wenn wegen der Verkehrssicherheit auch unter Berücksichtigung der Belange Behinderter oder alter Menschen Bedenken nicht bestehen.

 

(9) Treppengeländer müssen mindestens 0,90m, bei Treppen mit mehr als 12m Absturzhöhe mindestens 1,10m hoch sein.

 

(10) Eine Treppe darf nicht unmittelbar hinter einer Tür beginnen, die in Richtung der Treppe aufschlägt; zwischen Treppe und Tür ist ein Treppenabsatz anzuordnen, der mindestens so tief sein soll, wie die Tür breit ist.

 

(11) Die Absätze 3 bis 7 gelten nicht für Treppen innerhalb von Wohnungen.

 

Hier sehen Sie unter (11), dass in der LBO NRW eindeutig formuliert ist, dass unter anderem (7), nachdem Treppen durch Geländer gesichert werden müssen, für Treppen in Wohnungen nicht gilt.

 

Eine solche Formulierung ist natürlich um Einiges verständlicher als die unsere in der LBOAVO BW.

 

Die verschiedenen LBOs, LBOAVO etc. finden Sie unter Downloads.  

29. Feb 2008   | Email | Nach oben
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